Zwischen Schutzbedürftigkeit und Empowerment – PSZ Fachtag zum Thema Integration von Geflüchteten

Am 18. September 2024 fand an der Hochschule Magdeburg-Stendal (Standort Stendal) ein Fachtag des Psychosozialen Zentrums für Migrant*innen in Sachsen-Anhalt statt. Unter dem Titel „Zwischen Schutzbedürftigkeit und Empowerment – Förderung von Resilienz und Integration von Geflüchteten“ diskutierten über 80 Teilnehmende aus Politik, Verwaltung, Integrationsarbeit und der direkten Flüchtlingshilfe über die Herausforderungen und Chancen der Integration geflüchteter Menschen.

Der Fachtag bot ein vielfältiges Programm mit Vorträgen von Expert*innen und praxisorientierten Workshops. Im Fokus standen die psychologischen und rechtlichen Aspekte der Schutzbedürftigkeit von Geflüchteten sowie mögliche Wege zur Förderung ihrer Resilienz und Integration.

Hoher Bedarf an psychosozialer Unterstützung: Wartelisten bei PSZ Sachsen-Anhalt werden länger

Das Psychosoziales Zentrum für Migrant*innen in Sachsen-Anhalt (PSZ), unter der Trägerschaft unserer St. Johannis gGmbH, hat in den letzten Jahren über 600 Geflüchtete im Alter von 5 bis 61 Jahren an seinen Standorten in Magdeburg, Halle (Saale) und seit 2023 auch in Stendal betreut. Mit einem multikulturellen und multiprofessionellen Team bietet das Zentrum psychologische Beratung, Therapie, psychosoziale Gruppen und begleitende Sozialberatung an. Leider stehen derzeit über 280 Personen auf der Warteliste, was eine Wartezeit von mehr als neun Monaten zur Folge hat.

In seiner Eröffnungsrede betonte Mike Keune, Vorstandsvorsitzender der Stiftung Evangelische Jugendhilfe und Träger der Psychosozialen Zentren, die Bedeutung der psychosozialen Unterstützung für Geflüchtete. Er hob hervor, dass die Zentren in Sachsen-Anhalt die einzigen Einrichtungen sind, die sprachmittlergestützte psychosoziale Beratung und Psychotherapie anbieten. Die hohe Nachfrage nach diesen Leistungen zeige den dringenden Bedarf an einer nachhaltigen Förderung der psychosozialen Versorgung von Geflüchteten.

Mit Appell an die Landespolitik unterstrich Mike Keune die Notwendigkeit einer nachhaltigen Finanzierung der Psychosozialen Zentren: „Die Psychosozialen Zentren sind de facto Teil der Regelversorgung für Geflüchtete in unserem Bundesland. Es ist daher von größter Bedeutung, dass die Förderung und Aufrechterhaltung unserer Kapazitäten sichergestellt werden – nicht nur aus politischem Interesse, sondern insbesondere aus Menschlichkeit.“

Susi Möbbeck, Staatssekretärin im Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Gleichstellung, bedankte sich in ihrem Grußwort für die Einladung und die Möglichkeit des fachlichen Austauschs. Bezugnehmend auf die aktuelle Migrationsdebatte erinnerte sie daran, wie dringend fachliche Impulse benötigt werden, um realistische Problemlösungen anzustreben. Frau Möbbeck bedankte sich für die vielseitige Arbeit des Psychosozialen Zentrums Sachsen-Anhalt und der Stiftung Evangelische Jugendhilfe als Träger und zeigte sich sehr erfreut über die drei Standorte des PSZ in Sachsen-Anhalt – in Magdeburg, Halle und Stendal –, die durch ihre Verteilung im Bundesland eine lebenswichtige Grundstruktur im Migrationsbereich darstellen.

Zwischen Recht und Psyche: Die Komplexität der Schutzbedürftigkeit von Geflüchteten

Die beiden Impulsvorträge des Fachtags boten tiefe Einblicke in die Komplexität der Schutzbedürftigkeit von Geflüchteten. Jens Lauer, Dipl. Psych. von der Albatross gGmbH, präsentierte in seinem Vortrag „Psychologische Dimensionen der Schutzbedürftigkeit von Geflüchteten: eine Analyse und Perspektiven“ ein Projekt zur psychologischen Bewertung besonders schutzbedürftiger Personen. Er unterstrich die Bedeutung einer individuellen und umfassenden Betrachtung, um geeignete Unterbringungsoptionen zu empfehlen und ging auf die Herausforderungen bei der Durchführung der Diagnostik mit sehr eindrucksvollen, emotionalen Beispielen ein. Jens Lauer schloss seinen Vortrag mit einer Erinnerung an alle Anwesenden, dass die Arbeit mit besonders Schutzbedürftigen auch immer eine besondere körperliche und seelische Belastung für die jeweiligen Fachkräfte mit sich bringt und dass auf die eigene Gesundheit stets als kostbares Gut geachtet werden sollte.

Thomas Stöckl, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Migrationsrecht, widmete sich in seinem Vortrag „Die Berücksichtigung der Schutzbedürftigkeit von Geflüchteten im Asyl-und Migrationsrecht: Herausforderungen und Möglichkeiten“ den rechtlichen Rahmenbedingungen für schutzbedürftige Geflüchtete in Deutschland. Er zeigte auf, welche Herausforderungen sich aus dem komplexen Rechtsgefüge ergeben und welche Möglichkeiten bestehen, um die Rechte schutzbedürftiger Personen besser zu wahren.

Von der Theorie in die Praxis: Workshops bieten konkrete Handlungswerkzeuge für die Arbeit mit Geflüchteten

In den anschließenden Workshops konnten die Teilnehmenden ihr Wissen vertiefen und sich austauschen. Die vielfältigen Angebote reichten von der Verbesserung der kommunikativen Fähigkeiten in der Beratung schutzbedürftiger Geflüchteter über den Umgang mit Rassismus und Diskriminierung bis hin zur praktischen Anwendung des Asyl- und Migrationsrechts. Es fand zudem ein Workshop zur Selbstfürsorge statt, ein wichtiges Thema, welches jedoch oft zu kurz kommt.

Der Fachtag machte deutlich, dass die Integration von Geflüchteten eine komplexe Aufgabe ist, die ein Zusammenwirken verschiedener Akteure erfordert. Die Psychosozialen Zentren leisten einen wichtigen Beitrag zur Unterstützung und Begleitung von Geflüchteten auf ihrem Weg in ein neues Leben und begleiten aus der Isolation in die Integration.